Seiner Majestäts Unterseeboot 20
Ein Bericht über "Seiner Majestät Unterseeboot 20" (S.M. U 20) dessen Besatzung am Akademiefriedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hat.
„Seiner Majestät Unterseeboot 20“ lief am 18. September 1916 im Seearsenal von Pola vom Stapel und war ein U-Boot der „Havmanden“-Klasse.
„Havmanden“-Klasse
In den Jahren von 1911 bis 1914 wurde von der Whitehead-Werft in Fiume ein neuer U-Boot-Typ für die dänische Marine entwickelt und in einer Anzahl von sechs Stück gebaut – die „Havmanden“-Klasse.
Da bei Ausbruch des Krieges im August 1914 nur ein geringer Bestand an U-Booten vorhanden und nicht ausreichend Zeit vorhanden war einen neuen Bootstyp für die k.u.k. Kriegsmarine zu entwickeln wurde auf die Pläne bereits realisierter Projekte zurückgegriffen. Im März 1915 wurden deshalb vier Boote (U 20 bis U 23) der „Havmanden“-Klasse bestellt. Da deren Konstruktionspläne jedoch auf das Jahr 1910 zurückgingen, galten die Boote aufgrund der rasanten technischen Entwicklung in dieser Zeit bei der Indienststellung bereits als veraltet.
Die Kiellegung des Bootes erst am 29. September 1915 hatte seine Ursache im Umstand, dass die ungarische Regierung die Auftragsvergabe beeinspruchte, weil sie darauf bestand, dass zwei der Boote von einer ungarischen Werft gebaut werden. So wurden letztendlich U 20 and U 21 durch das Seearsenal Pola und U 22 and U 23 von der „Ungarische Unterseebootsbau AG“ in Fiume gebaut.
„S.M. U 20“ hatte eine Länge von 38,76 m, eine Breite von 3,97 m und einen Tiefgang von 2,75 m. Für den Antrieb des U-Bootes über Wasser sorgte ein 6-Zylinder-Dieselmotor mit 450 PS, der eine Geschwindigkeit von 13,2 Knoten (etwa 24 km/h) ermöglichte. Für die Tauchfahrt wurde ein Elektromotor mit 300 PS verwendet, der dem Boot eine Geschwindigkeit von 9 Knoten (etwa 17 km/h) verlieh. Bewaffnet war „S.M. U 20“ mit einer 7 cm-Kanone, einem 8 mm-Maschinengewehr und zwei Bugtorpedorohren vom Kaliber 45 cm. An Bord mitgeführt werden konnten 4 Torpedos. Die Besatzung bestand aus 3 Offizieren und 15 Mann.
Gerammt
Bei einer Erprobungsfahrt im Außenhafen von Pola am 15. März 1917 wurde S.M. U 20 im getauchten Zustand von S.M.S. Admiral Spaun gerammt. Dabei wurden das 7 cm - Geschütz abgerissen sowie die Sehrohre verbogen.
Zur Behebung der Schäden musste das Boot von 19. Juni bis 11. August 1917 im Schwmimmdock gedockt werden.
Im Einsatz
Die Indienststellung von „S.M. U 20“ erfolgte am 20. Oktober 1917. Der Heimathafen war zunächst Pula und ab Februar 1918 Triest. Von dort aus führte „S.M. U 20“ im Jahr 1918 mehrere Einsätze in der nördlichen Adria durch, ohne dabei einen Torpedo abzufeuern.
Die Kommandanten
Erster Kommandant von U 20 war Linienschiffsleutnant Klemens Ritter von Bézard.
Am 28. Juli 1917 erhielt Linienschiffsleutnant Franz von Rzemenowsky das Kommando über U 20.
Ab 29. November 1917 war Linienschiffsleutnant Hermann Rigele der Kommandant.
Am 11. März 1918 übernahm Linienschiffsleutnant Ludwig Müller das Kommando über U 20.
Die letzte Fahrt
Am 3. Juli 1918 verließ „S.M. U 20“ unter dem Kommando von Linienschiffsleutnant Ludwig Müller mit insgesamt 18 Mann an Bord zum letzten Mal seinen Hafen und brach zu einer Patrouillenfahrt auf. Am Abend des 4. Juli 1918 wurde das österreichische U-Boot um 21.15 Uhr vor Grado vom italienischen U-Boot „F12“ gesichtet. Das gegnerische Boot erschien zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn „S.M. U 20“ lud gerade seine Akkumulatoren auf. Das Vorhandensein nur einer einzigen Maschine hatte zur Folge, dass der Ladevorgang nur bei stillstehenden Boot möglich war. „U 20“ wurde deshalb zu einem leichten Ziel.
Kurz nach 22:30 Uhr war „F12“ in Position. Im Gegenlicht des Mondes tauchte es um 22.43 Uhr, etwa 600 m von „S.M. U 20“ entfernt, auf und feuerte einen Torpedo ab. Dieser traf „U 20“ im vorderen Drittel des Rumpfes, detonierte und riss den Schiffskörper auf. Kurze Zeit später lag das Schiff auf der Position 45°29′ N 13°05′ E auf dem Grund der Adria und wurde zum stählernen Grab für seine Besatzung.
Bergung
„S.M. U 20“ wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einem Ärgernis für die italienischen Fischer. Diese beklagten sich, dass ihre Netze an dem am Meeresgrund liegende Wrack hängen bleiben und dadurch zerrissen werden würden. Schließlich wurde die Firma „Sponza & Zuberti“ aus Grado mit der Bergung des Wracks beauftragt. Da der Schiffskörper beim Hebeversuch auseinanderbrach musste die Bergung in zwei Teilen erfolgen. Am 21. Juli 1962 wurde der Hauptteil des Schiffes, in dem sich auch die Besatzung und der Turm befanden, gehoben; der Vorderteil jedoch drei Monate später, am 3. Oktober 1962.
Überführung nach Österreich
Die sterblichen Überreste von zwölf Besatzungsmitgliedern, die in dem Wrack gefunden wurden, wurden in zwölf Särge gebettet und zuerst nach Redipuglia, der größten italienischen Gedenkstätte zu Ehren der Toten des Ersten Weltkrieges, gebracht, wo eine Aufbahrungsfeier der italienischen Marine stattfand. Am 7. August 1962 wurden sie zum Grenzübergang Thörl-Maglern transportiert. Nach der feierlichen Übernahme wurden die etwa 50 cm langen Särge auf zwölf Steyr-Puch „Haflinger“ umgeladen und nach einem Zwischenhalt in Villach nach Wiener Neustadt überführt.
Beisetzung
Am 10. August 1962 wurde die Besatzung von „S.M. U 20“ nach einer Aufbahrung in der St. Georgs-Kathedrale schließlich am Akademiefriedhof mit militärischen Ehren beigesetzt.
Radioreportage von der Beisetzung der Besatzung
Bei der Bergung des Vorderteiles des U-Bootes wurden die Körper weiterer Beatzungsmitglieder gefunden. Diese wurden ebenfalls nach Österreich überführt und am 29. März 1963 zu ihren Kameraden am Akademiefriedhof zugebettet.
Liste der Besatzungsmitglieder
Kommandant: Linienschiffsleutnant* | Ludwig Müller |
Fregattenleutnant** | Zdenko Belsky |
Fregattenleutnant** | Johann Sentner |
Elektroquartiermeister | Franz Cerny |
Maschinenquartiermeister | Josef Fahrenberger |
Matrose 1. Klasse Minenvormann | Josef Koč |
Maschinengast | Kurt Kretschmer |
Küchenmatrose | Ludwig Langhans |
Quartiermeister Torpedoinstruktor | Franz Miheva |
Maschinenquartiermeister | Gerö Pajor |
Elektromaat | Norbert Retuhsnig |
Bootsmannsmaat Telegraphist | Fritz Schmidt |
Bootsmannsmaat Torpedoinstruktor | Anton Slosu |
Elektroquartiermeister | Lothar Souschek |
Bootsmannsmaat Torpedomeister | Johann Swoboda |
Maschinenmaat | Rudolf Tomay |
Matrose 2. Klasse Torpedovormann | Franz Wildner |
Maschinenmaat | Karl Witt |
*entspricht: Hauptmann **entspricht: Oberleutnant
Der letzte Kommandant
Ludwig Müller wurde am 17. März 1890 in Kaaden (Böhmen) geboren.
Nach erfolgreicher Absolvierung der Marineakademie war er am 17. Juni 1909 als Seekadett in die Kriegsmarine aufgenommen worden. Am 1. Juli 1911 erfolgte seine Beförderung zum Seefähnrich.
Nach Verwendungen auf S.M.S. Erzherzog Friedrich, S.M.S. Nautilus, S.M.S. Turul und S.M.S. Pelikan wurde Müller am 21. Mai 1915 unter Linienschiffsleutnant Georg Ritter von Trapp 2. Offizier auf S.M. U 14.
Am 1. Mai 1916 wurde er zum Linienschiffsleutnant befördert und am 26. Juli 1916 als 2. Offizier auf U 4 versetzt. Mit diesem Boot gelang die Versenkung eines englischen sowie drei italienischen Schiffen.
Am 16. Mai 1917 wurde Müller Kommandant von S.M. U 11 und ab 16. Juli 1917 von S.M. U 15.
Am Am 11. März 1918 übernahm Müller 28-jährig das Kommando über S.M. U 20.
Ludwig Müller wurde für seine erfolgreiche Dienstverwendung auf S.M. U 4 die "Silberne Militärverdienstmedaille mit Schwertern" sowie das "Militärverdienstkreuz 3. Klasse mit Kriegsdekoration und Schwertern" verliehen. Für den Einsatz mit S.M. U 20 erhielt er posthum den "Orden der Eisernen Krone 3. Klasse mit Kriegsdekoration und Schwertern", die "Verwundeten-Medaille" und das "Karl Truppenkreuz" zugesprochen.
Ludwig Müller war verheiratet mit Edith (geborene Pruckmüller), die bei der Beisetzung am 10. August 1962 anwesend war.
"S.M. U 20" im Museum
Die Reste von „S.M. U 20“ wurden an die Küste befördert und mit Ausnahme der Turmsektion verschrottet. Diese wurde nach Österreich transportiert und dem Heeresgeschichtlichen Museum übergeben, wo sie im Marinesaal ebenso wie gefundene persönliche Gegenstände der Schiffsbesatzung wie Bücher, Schuhe, Münzen etc. sowie ein Anker und Marinedienstbücher, zu sehen ist.
Die Schiffsschraube und die Telefonboje gelangten nach Graz und befinden sich dort heute im Besitz des Segelclub SYCS. Der Rest wurde verschrottet.
Verfasser
Oberst Thomas Lampersberger
Quellen
- Oliver Trulei, Tauchfahrt in den Tod - Die Havmanden-Boote der k.u.k. Kriegsmarine; Wien 2021
- Wladimir Aichelburg, Die Unterseeboote Österreich-Ungarns, 2. Band, Graz 1981
- Waldimir Aichelburg, k.u.k. Flotte 1900 – 1918, Wien 1998
- Kärntner Landesarchiv
- https://www.truppendienst.com/themen/beitraege/artikel/relikte-einer-seemacht
- https://de.wikipedia.org/wiki/S.M._Unterseeboote
- https://en.wikipedia.org/wiki/Havmanden-class_submarine_(1911)
- https://dubm.de/klasse-u-20/
Headerbild
U 20 - Gemälde von Danijel Frka
Dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt vom "KMA - K.u.K. Kriegsmarine Archiv"