100 Jahre Niederösterreich
Seit 100 Jahren besteht Niederösterreich in der heutigen Form. Die Geschichte unseres Bundeslandes reicht aber viel weiter zurück.
Awarenmark
Um 800 errichtete Karl der Große eine Grenzmark in der Region des heutigen Niederösterreich, die als Awarenmark bezeichnet wurde, und ein Teil des Herzogtums Baiern war. Für die Awarenmark und die südlich davon befindliche Mark Karantanien fand die Bezeichnung "Marcha Orientalis" Verwendung.
Im Jahr 907 musste nach der Niederlage gegen die Ungarn in der Schlacht von Pressburg die Awarenmark bis zur Enns kampflos aufgegeben werden. Erst nach dem Sieg 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld war die Bedrohung durch die Ungarn gebannt. Anschließend erfolgte eine zweite Welle baierischer Ostansiedlungen mit Gewinn von Gebieten im heutigen Niederösterreich und es entstand östlich der Enns erneut eine dem Herzog von Baiern unterstellte Markgrafschaft.
Ostarrichi
Im Jahr 976 belehnte der römisch-deutsche Kaiser Otto II. Luitpold aus dem Geschlecht der Babenberger mit dieser Mark. Aus dem Jahr 996 stammt eine Urkunde, die für das Gebiet rund um Neuhofen an den Ybbs den Namen „Ostarrichi“ verwendet. Es handelt sich dabei um die althochdeutsche Form von "Marcha Orientalis" (Östliche Mark).
Die Babenberger trieben eine zielbewusste Kolonialisierung und erweiterten ihren Herrschaftsbereich bis an Leitha, March und Thaya. In dieser Zeit wurde auch das Gebiet des heutigen Wien Teil dieser Markgrafschaft. Die Residenz befand sich anfangs in Pöchlarn, später in Melk (976 – 1089) sowie unter Leopold II. in Gars am Kamp. Leopold III. residierte ab 1113 in Klosterneuburg.
Herzogtum Österreich
Im Zuge des Konfliktes zwischen den Staufern und den Welfen fiel 1139 das Herzogtum Bayern an die Babenberger. Um den Konflikt zu beenden, gab Friedrich I. Barbarossa den Welfen das Herzogtum Bayern zurück. Gleichsam als Entschädigung wurde 1156 mit dem "Privilegium minus" die Markgrafschaft Ostarrichi von Bayern getrennt und zum eigenständigen Herzogtum erhoben. Bereits 1145 hatte Heinrich II. Jasomirgott seine Residenz nach Wien verlegt.
Österreich unter der Enns
Im 15. Jahrhundert vergrößerte sich das Herzogtum Österreich um Teile des heutigen Bundeslandes Oberösterreich. Verwaltungsmäßig erfolgte eine Aufteilung in zwei Teilherzogtümer:
- Herzogtum Österreich ob der Enns: Die östlichen, nördlichen und südlichen Teile des heutigen Bundeslandes Oberösterreich.
- Herzogtum Österreich unter der Enns: Wesentliche Teile des heutigen Bundeslandes Niederösterreich und Wien.
Im inoffiziellen Sprachgebrauch nannte man das Land unter der Enns bereits Niederösterreich, während sich für das Land ob der Enns der Name Oberösterreich einbürgerte.
Aus Sicht der Militärakademie ist interessant anzumerken, dass die Grafschaft Pitten und mit ihr die Stadt Wiener Neustadt, zeitweise zum Herzogtum Steiermark gehörten. Ein im Burghof zu sehendes steirisches Wappen erinnert daran.
Die verfassungsmäße Trennung in zwei habsburgische Erbländer, spätere Bezeichnung Kronländer, wurde 1783 endgültig. Hauptstadt des Herzogtums Österreich unter der Enns war und blieb Wien.
Bundesland Niederösterreich
Mit der Bildung der Republik Österreich am 12. November 1918 erfolgte die Bildung der Bundesländer. „Niederösterreich“ wurde als ausschließliche und gesetzliche Bezeichnungen festgelegt. Wien war weiterhin nicht nur Teil Niederösterreichs sondern auch dessen Hauptstadt, was aber rasch zu Spannungen führte.
Trennung
Wien, sozialdemokratisch orientiert, stellte im niederösterreichischen Landtag mehr Abgeordnete als die vier, mehrheitlich christlich-sozial geprägten, Landesviertel. Außerdem lebten in Niederösterreich insgesamt mehr als die Hälfte der Einwohner der jungen Republik, was zu Unmut bei den anderen Bundesländern führte.
Nach Jahrhunderten gemeinsamer Geschichte wurde daher beschlossen, dass Niederösterreich und Wien getrennte Wege gehen sollten.
In der am 1. Oktober 1920 beschlossenen und am 10. November 1920 in Kraft getretenen Bundesverfassung erhielt Wien alle Rechte eines Bundeslandes. Am 30. November 1920 wurde von niederösterreichischen Landtag die erste Verfassung für Niederösterreich beschlossen.
Nach etwa ein Jahr dauernden Trennungsverhandlungen, in denen es um die Aufteilung öffentlicher Einrichtungen sowie bisher gemeinsamen Liegenschaftsbesitzes ging, beschlossen am 29. Dezember 1921 der Wiener Landtag und der niederösterreichische Landtag gleichzeitig das in beiden Ländern gleichlautende Trennungsgesetz, das am 1. Jänner 1922 in Kraft trat.
Damit hat Niederösterreich die vollständige Souveränität als Bundesland erhalten hat und feiert somit am 1. Jänner 2022 seinen 100. Geburtstag.
Der lange Weg zur eigenen Landeshauptstadt
Das Trennungsgesetz ermöglichte Niederösterreich, den Sitz seiner Landesregierung und seines Landtags in Wien zu belassen, was aus wirtschaftlichen Gründen auch so erfolgte.
Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 verlor Niederösterreich zahlreiche Gemeinden an Wien, wurde jedoch um das nördliche Burgenland sowie Teile des Sudetenlandes erweitert. Am 1. Mai 1939 wurde Niederösterreich in den Reichsgau Niederdonau umgewandelt. Krems wurde zur „Gauhauptstadt“ erhoben, Wien blieb aber weiterhin der Verwaltungssitz,.
Mit der Wiederherstellung der Republik Österreich im April 1945 erhielt das Land wieder den Namen Niederösterreich, Landesregierung und Landtag tagten weiterhin in Wien.
Ab den 1960er-Jahren traten vermehrt Stimmen auf, die die Schaffung eines eigenen niederösterreichischen Landeszentrums forderten. Mit ein Grund war, der einsetzenden Landflucht nach Wien zu begegnen. Die Uneinigkeiten zwischen der ÖVP und der SPÖ in dieser Frage verhinderten jedoch weitere Schritte.
Nach dem Sieg der ÖVP bei den Landtagswahlen 1983, wurde die Hauptstadtfrage wieder aktualisiert. Die Entscheidung sollte jedoch das Volk treffen.
So wurde 1984 vom damaligen Landeshauptmann Siegfried Ludwig eine Volksbefragung mit dem Slogan „Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft“ initiiert. Am 1. und 2. März 1986 hatte die Bevölkerung Niederösterreichs zwei Fragen zu beantworten:
- Soll Niederösterreich eine eigene Landeshauptstadt haben?
- Fünf in Frage kommende Städte waren zu reihen.
56% Prozent der an der Volksbefragung Teilnehmenden sprachen sich für eine eigene Hauptstadt aus. Als mögliche neue Landeshauptstadt wurde klar für St. Pölten (45%), vor Krems (29%), Baden (8%), Tulln (5%) und Wiener Neustadt (4%) votiert.
Am 10. Juli 1986 fasste der niederösterreichische Landtag den Beschluss, St. Polten zur Hauptstadt Niederösterreichs zu erheben und die Verwaltungsdienststellen der niederösterreichischen Landesregierung sowie den niederösterreichischen Landtag dorthin zu verlegen.
1992 erfolgte der Spatenstich für den Bau des niederösterreichischen Landhauses und im Jahr 1997 konnte die niederösterreichische Landesregierung schließlich in die neue Landeshauptstadt übersiedeln.
Exkurs: Das niederösterreichische Landeswappen
Das aktuelle Aussehen des Landeswappens Niederösterreichs ist im Artikel 7, Absatz 1, der Landesverfassung von 1979 geregelt. Dieser besagt: „Das Landeswappen besteht aus einem blauen Schild, der eine goldene Mauerkrone mit drei sichtbaren Zinnen trägt und in welchem sich fünf goldene Adler, je zwei gegeneinander und einer nach links gewendet, befinden.“
Die paarweise gestellten Adler haben also die Köpfe einander zugewandt, während der unten allein stehende Vogel nach heraldisch rechts sieht. Im Gegensatz dazu hatten im 1804 eingeführten Wappen alle fünf Adler nach heraldisch rechts gesehen.
Der Ursprung des niederösterreichischen Landeswappens liegt in einem mit goldenen Adlern bestreuten blauen Wappenschild, der Leopold III. (1073-1136) zugeschrieben wurde. Der Babenberger-Stammbaum - ein Tafelbild, das zwischen 1489 und 1492 entstand, auf dem alle männlichen Vertreter des Hauses Babenberg dargestellt sind - zeigt Leopold III. in einem mit goldenen Adlern besetzten blauen Ornat.
Die Durchsetzung des Fünfadlerwappens erfolgte aber erst in der Zeit Herzog Rudolfs IV., des Stifters, (1358-1365), welcher es auf einem herzoglichen Siegel verwendete.
Fünfadlerwappen und Bindenschild (rot/weiß/rot) wurden parallel verwendet. Für das Fünfadlerwappen bürgerte sich in der Folge der Begriff „Alt-Österreich" ein, während der Bindenschild „Neu-Österreich" genannt wurde. Erst 1804 wurde das Fünfadlerwappen im Zuge der Ausrufung des Kaisertums Österreich zum alleinigen Wappen des Landes unter der Enns erklärt.
Um die Kontinuität zu betonen wurde es nach dem Ende der Monarchie für das Bundesland Niederösterreich beibehalten. An die Stelle des Erzherzogshuts, der es bekrönte, trat jedoch als Symbol des Bürgertums eine goldene Krone mit drei Zinnen.
Quellen:
- https://www.noe.gv.at/noe/Geschichte-Landeskunde/Landesgeschichte.html
- noe-landtag.gv.at/der-landtag/geschichte
- https://www.noel.gv.at/noe/Geschichte-Landeskunde/Leopold.html
- de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Niederösterreichs
- www.noe.gv.at/noe/Geschichte-Landeskunde/Landeswappen.html
- austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Symbole/Niederösterreich_Landeswappen_und_Landesfarben