Übungsraum Wiener Neustadt
Ein aus drei Fahrzeugen bestehender Konvoi biegt in eine Straße ein. Völlig unerwartet erschüttert eine Detonation die Stadt. In der Straße klafft ein Trichter, das erste Fahrzeug liegt auf der Seite und brennt. Von den Dächern der benachbarten Häuser eröffnen vermummte Gestalten mit Panzerabwehrrohren und Maschinengewehren auf die beiden anderen Fahrzeuge das Feuer. In der engen Gasse haben diese keine Chance auszuweichen....
Zur gleichen Zeit in einem der Stromversorgung dienenden Kraftwerk am anderen Ende der Stadt. Eine gezielte Sprengung öffnet die Eingangstür zum Gebäude, sechs Gestalten stürmen in das Innere, Sturmgewehre im Anschlag. Am Generator wird eine Sprengladung angebracht. So schnell und überraschend wie die Angreifer aufgetaucht sind, sind sie auch wieder verschwunden. Wenig später detoniert der Sprengstoff...
Zwei Szenen aus der Ausbildung des Jahrganges "General Körner" und Situationen, wie sie in Auslandseinsätzen passieren können.
Schutz kritischer Infrastruktur
Eine der möglichen Einsatzaufgaben des Bundesheeres ist der Schutz kritischer Infrastruktur. Dies kann erforderlich sein im Inland im Rahmen eines sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes oder selbstständig in einem Auslandseinsatz. Die Bedrohung in so einem Fall geht meistens von irregulär agierenden Gruppierungen aus. Um einen Anschlag auf ein zugewiesenes Schutzobjekt verhindern zu können, bedarf es des Wissens, wie ein derartiger Anschlag erfolgt.
Bevor daher die Fähnriche im fünften Abschnitt der Führungsausbildung erlernen wie man ein Objekt erfolgreich gegen Lahmlegung oder Zerstörung schützt, werden sie im Lehrgang davor mit den Grundtechniken des asymmetrischen Kampfführung vertraut gemacht, um so sich besser in einen Gegner hineinversetzen und Maßnahmen gegen ihn ergreifen zu können.
Asymmetrischer Krieg
Ein asymmetrischer Krieg ist eine militärische Auseinandersetzung zwischen Parteien, die sich waffentechnisch und organisatorisch stark unterscheiden. Typischerweise ist eine der beteiligten Konfliktparteien so überlegen, dass die andere Seite in offen geführten Gefechten nicht gewinnen kann. Langfristig können jedoch wiederholt durchgeführte kleinere Angriffe zu hohen Verluste und Zermürbung und somit letztendlich zur Niederlage der überlegenen Partei führen. Frühere Begriffe für diese Form der Kriegsführung sind Partisanenkampf und Guerillakrieg.
Die Varusschlacht in der zweiten Hälfte des Jahres 9 n. Chr., der Angriff von Arminius gegen Varus im Gebiet um den Teutoburger Wald, ist ein typisches Beispiel einer erfolgreichen asymmetrischen Kriegführung. Es wurde dabei gezielt die offene Feldschlacht vermieden, um den überlegenen römischen Gegner in Einzelgefechten aufzureiben.
Beispiele für asymmetrische Kriegsführung der neueren Zeit sind der Indochina- und der Vietnamkrieg, der Konflikt in Afghanistan in Folge sowohl der sowjetischen Invasion als auch des US-amerikanischen Einschreitens, der Tschetschenienkrieg und als eine der jüngsten asymmetrischen Auseinandersetzungen, die Kämpfe in Mali.
Einsätze im verbauten Gebiet
Diese asymmetrischen Konflikte werden immer öfters in Städten und Ortschaften ausgetragen. Die Aufgabenstellungen im verbauten Gebiet sind daher für die Soldaten des Österreichischen Bundesheeres sowohl bei Einsätzen im Inland als auch im Ausland immer häufiger. Die praktische Ausbildung der Fähnriche hat auf derartige Szenarien vorzubereiten.
Wo trainiert man dies am besten? Natürlich in einer Stadt!
Übungsraum Wiener Neustadt
Von 2. bis 9. Februar 2022 übten daher die Fähnriche des Jahrganges "General Körner" nicht im Lehrsaal oder am Truppenübungsplatz - sondern mitten in Wiener Neustadt. Mit Knallmunition und allem Drum und Dran.
Mehrere Unternehmen stellten Teile ihrer Betriebe für die Ausbildung zur Verfügung. Sogar stark frequentierte Straßen durften mehrmals kurzzeitig gesperrt werden, um so einen uneingeschränkten Übungsablauf zu ermöglichen.
Die Bevölkerung wurde zuvor in einer groß angelegten Informationskampagne vorgewarnt - und reagierte gelassen. Soldaten, im Besonderen die Angehörigen der Militärakademie, sind in Wiener Neustadt seit 1752 ein fixer Bestandteil der Stadt und die Bevölkerung ist ihren Anblick gewöhnt.
Dennoch ergeht ein besonderer Dank an die Stadt Wiener Neustadt und deren Einwohner, sowie an die Unternehmen, die ein Üben in ihren Betriebsanlagen ermöglicht haben. Durch das Verständnis für die Notwendigkeit dieses Übungsvorhaben und die Zustimmung zur Durchführung wurde eine einmalige Realitätsnähe geboten und so die Erreichung des Ausbildungszieles überhaupt erst ermöglicht.
Fotoalbum
Weitere Bilder von der Ausbildung gibt es im Fotoalbum Kampfführung in einer Industrienalage