270 Jahre Offiziersausbildung
Die seit mehr als 270 Jahren durchgeführte Ausbildung der österreichischen Offiziere erfolgte nicht ganz ununterbrochen, nicht immer unter dem Namen "Theresianische Militärakademie" und auch nicht immer in Wiener Neustadt, dennoch werden diese 270 Jahre als zusammengehörig gesehen. Ein Rückblick auf den Beginn.
Umbauarbeiten
Nachdem am 14. Dezember 1751 die allerhöchste Entschließung von der Errichtung einer Militärakademie bekanntgegeben worden war, wurde bald darauf mit der Adaptierung der dafür bestimmten Burg zu Wiener Neustadt begonnen. Zur Organisation der Umbauten wurde der k.k. geheime Rat und Direktoriat-Hofsekretär Theodor von Thoren bestimmt. Den Auftrag zum Umbau selbst und der Neugestaltung erhielt der Wiener Baumeister Matthias Gerl.
Die Burg war in dieser Zeit unbewohnt und in einem dementsprechend schlechten Zustand. Der Burghof wurde geebnet, in das Mauerwerk mussten neue Fensteröffnungen gebrochen werden, um das notwendige Licht hereinzulassen. Die großen und weitläufigen Säle wurden abgeteilt um Zimmer für Offiziere und Lehrer einzurichten. Einige der Säle wurden als Speisesäle und Krankenzimmer adaptiert. Die vielen kleinen Stiegen und Winkel des Hauses mussten teils erweitert, teils ganz abgebrochen werden. Für die Zöglinge wurden Unterrichtssäle, 20 Schlafsäle für je 10 Mann und Kameradschaftszimmer eingerichtet. Im Erdgeschoss erfolgte der Einbau von Küchenräumen. Ebenso wurden Toilettenanlagen installiert, Senkgruben ausgehoben und die verbindende Kanalisation geschaffen. An Nebengebäuden wurden Stallungen, eine Sattelkammer sowie eine Sommer- und Winterreitschule errichtet. Die Gesamtkosten für den Umbau betrugen 95.094 Gulden - dies entspricht rund 1 Million Euro.
Die Bauarbeiten schritten rasch voran. So konnte sich bereits im Juni 1752 Maria Theresia ein Bild von den beinahe abgeschlossenen Umbaumaßnahmen machen. Im Oktober 1752 bezog der Lokaldirektor, Generalmajor Graf Thürheimb, die für ihn hergerichtete Wohnung. Ihm folgten das Lehr-, Aufsichts- und sonstiges Personal.
11. November 1752
Am 11. November 1752, es war ein Samstag, erfolgte die Eröffnung des „Adeligen Kadettenhauses“, wie die offizielle Bezeichnung lautete.
Die Zahl der im ersten Jahr Aufgenommenen war 191. Das Mindesteintrittsalter war 14, die Ausbildungsdauer grundsätzlich mit sieben Jahren angesetzt. Da die Zöglinge aber ihren Vorkenntnissen nach entsprechend auf die Jahrgänge verteilt wurden, erfolgte bereits 1755 die erste Ausmusterung von 12 und 1756 von 60 weiteren Fähnrichen zur Infanterie bzw. Kornetts zur Kavallerie.
Die Einteilung der Zöglinge erfolgte in zwei Kompanien zu je 10 Kameradschaften à 10 Zöglingen. Jede Kameradschaft hatte 2 Lakaien, die die Zöglinge beim Waschen, Anziehen und Frisieren unterstützten.
An Uniform erhielt jeder Zögling eine blaue Uniform mit roten Aufschlägen für den täglichen Gebrauch sowie eine weiße Uniform mit hellroten, goldbordierten Aufschlägen zur Parade. Die Rüstung bestand aus einem Gewehr mit Bajonett. Jedem standen sein Bett mit Matratze, Strohsack, Leintüchern, Federpolster und Decken sowie ein Schubladenkasten und ein Stuhl zur Verfügung. In jedem Zimmer stand ein Tisch.
Kommandiert wurden die beiden Kompanien von je einem Stabsoffizier. Daneben waren je Kompanie 1 Hauptmann, 1 Oberleutnant, 5 Unterleutnante oder Fähnriche vorhanden.
Der Tagesablauf
Der Dienst begann um 5 Uhr morgens. Um 6 Uhr ging es geschlossen zur Andacht in die Georgs-Kirche. Dann folgten Lehrstunden - körperliche am Vormittag, geistige am Nachmittag, wobei die Zeit unmittelbar nach dem Mittagessen zum Spazieren und zu leichten Exerzitien im Tiergarten bestimmt war.
Da im Speisesaal nicht alle 200 Zöglinge gleichzeitig Platz fanden, erfolgte das Mittagessen kompanieweise. Die eine Kompanie ging um 11 Uhr zum Mittagessen, während die andere Kompanie im Exerziersaal eine Befehlsausgabe, sowie Exerzierstunden ohne Gewehr hatte. Um 12 Uhr erfolgte der Wechsel, die Ausbildung am Nachmittag begann um 13 Uhr. Das Abendessen erfolgte um 19 Uhr. Danach wurden das Abendgebet gesprochen und die Körperpflege durchgeführt. Spätestens um 20.45 Uhr war Bettruhe.
An Sonn- und Feiertagen fand um 8 Uhr ein Gottesdienst statt, dann erfolgte bis 15 Uhr Unterricht, danach war Freizeit.
Ausbildung
Die Richtung die Feldzeugmeister Daun als Ober-Direktor in seiner Erziehungsmethode einschlug ging dahin, aus dem Zögling so schnell als möglich einen zum Ertragen der Strapazen im Feld tauglichen und abgehärteten Kriegsmann und brauchbaren Offizier zu machen.
Das Ausbildungsprogramm enthielt daher Exerzieren, Wach- und Patrouillendienst, Reiten und Pferdepflege sowie "jede Form körperlicher Ertüchtigung zur Abhärtung und Leistungssteigerung." Es wurden alle zu jener Zeit in der Armee vorgeschriebenen Übungen mit den Waffen erlernt: Jene des Füsiliers und des Grenadiers sowie die Handhabung von Partisane (eine rund 2,5 Meter lange Stoßwaffe), Säbel und Degen. Die Zöglinge erlernten nicht nur Reiten sondern wurden auch im Packen, Satteln, Pferde-Putzen und Beschlagen unterwiesen.
Der theoretische Unterricht umfasste Religion, Arithmetik, Artillerielehre, Befestigungswesen, Geographie, Französisch, Italienisch und Tschechisch.
Der Religionsunterricht wurde von Piaristen gehalten und umfasste nicht nur Religion im eigentlichen Sinne, sondern auch Lesen und Schreiben, Rechnen und Deutsch, sowie das Halten von Reden, das Verfassen von Briefen, Sittenlehre sowie "Vernunftlehre und Weltweisheit".
Exerziert wurde täglich zwei Stunden lang - im Sommer im Freien, im Winter im Exerziersaal. Jeden Tag gab es eine Fecht- und eine Tanzstunde. Letzteren waren notwendig, um die künftigen Offiziere auf das vorzubereiten, was ihnen Maria Theresia als Privileg zuerkannt hatte: Den Zugang zum kaiserlichen Hof - dort musste sich der Offizier entsprechend benehmen und verhalten können. Daher umfassten die Tanzstunden nicht nur das Erlernen diverser Tanzschritte, sondern vermittelten auch das richtige Verhalten und Benehmen.
Wachdienst
Bei Tag wurde die Akademiewache durch die Zöglinge gestellt. Unter dem Kommando eines Korporal waren täglich 12 Zöglinge sowie 1 Gefreiter, 1 Tambour und 1 Pfeifer im Wachdienst. Hinzu kamen noch 6 Zöglinge als "Feuer-Reserve". Während der Nacht wurde die Wache von der Truppe der Wiener Neustädter Garnison gestellt.
Verpflegung
Zur Nahrung bekamen die Zöglinge in der Früh eine Suppe, zum Mittagessen nebst Brot fünf, zum Nachtmahl drei Speisen. Täglich erhielt jeder eine Portion Wein.
Freizeit
Dem Prinzip der ständigen Überwachung folgend, war auch die Freizeitbeschäftigung gemeinschaftlich organisiert. So erfolgte zB ein gemeinsames Spazierengehen. Der sonstigen Unterhaltung diente aber vor allem das Theaterspielen.
Disziplin
Auf Gehorsam und Disziplin wurde sehr geachtet. Respekt gegenüber Vorgesetzten und Ranghöheren, Pünktlichkeit, Ordnung und Sauberkeit sowie Genauigkeit wurden von den Zöglingen mit Strenge gefordert. Dementsprechend streng waren auch die Bestrafungen bei Fehlvergehen.
Bei kleineren Vergehen gab es Strafstehen oder -knieen. Schwerer Vergehen wurden mit Rutenstreichen geahndet. Daneben existierten leichtere Disziplinierungsmittel wie das Verbot der Teilnahme an Spielen oder Vergnügungen besuchen zu dürfen. Beging ein Zögling während des Essens eine Unart, so wurde das Verbot der Teilnahme am Essen ausgesprochen. Eine weitere Strafe war das Silentium, ein verordnetes dreitägiges Stillschweigen.
Damit jene Zöglinge, die gegen die Regeln verstoßen haben, auch gleich erkannt werden, wurden diese gekennzeichnet. Sie durften zB. keinen Zopf tragen oder mussten die Kadettenuniform gegen die eines einfachen Soldaten tauschen, "um den Unterschied zwischen Kadett und Offizier besser zu spüren und um die Ehre, einmal Offizier zu werden, besser zu würdigen."
Die offiziellen Disziplinarstrafen, diese waren der Ober-Direktion vorbehalten, bestanden in Form von Zimmer-, Wachstuben- oder Stockwerksarrest in der Dauer von 1 bis 14 Tagen. Verschärfungen erfolgten durch das Anlegen von Eisen oder Fasten bei Wasser und Brot. Bei besonders schweren Vergehen erfolgte die Entlassung.
Verfasser
Oberst Thomas Lampersberger
Quellen
- Johann Jobst, Die Neustädter Burg und die k.u.k. Theresianische Militärakademie, Wien 1908
- Theo Rossiwall, Die alte Burg zu Wiener Neustadt, St. Pölten 1976
- Hubert Zeinar, Alma Mater Theresiana, Graz 1999